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Nikotinkonsum opioidabhängiger Patientinnen in Erhaltungstherapie während der Schwangerschaft und die Auswirkungen auf das Neugeborene.

Hintergrund:

Nikotinkonsum während der Schwangerschaft stellt ein gesundheitsökonomisch gravierendes Problem dar, da er mit schwerwiegenden Konsequenzen für Mutter und Kind einhergehen kann. Schätzungen zufolge sind zwanzig bis 40% der schwangeren Frauen Raucherinnen, und nur ein geringer Prozentsatz, 13-20% - je nach sozioökonomischem Status, gibt das Rauchen während der Schwangerschaft auf.

Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung ist der Prozentsatz an opioidabhängigen schwangeren Frauen, die rauchen, wesentlich höher; bis zu 90% der Frauen, die sich in Methadon-Erhaltungstherapie befinden, sind Raucherinnen. Außerdem hat diese Patientinnengruppe ein erhöhtes Risiko für zusätzliche Komplikationen während der Schwangerschaft.

Eine Studie aus dem Jahr 2004 zeigte, dass Neugeborene von Müttern in Methadon-Erhaltungstherapie, die mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchten, ein wesentlich stärkeres Neonatales Abstinenz Syndrom (NAS) hatten als Kinder von leichten Raucherinnen.

Eine systematische Untersuchung der Auswirkungen des Nikotinkonsums während der Schwangerschaft von Frauen in Erhaltungstherapie mit den heute üblichen Medikamenten Buprenorphin, retardiertes Morphin und Methadon, fehlte bisher. Daher war das Ziel der Studie, die an der MUW durchgeführt wurde, die Auswirkungen des präpartalen Nikotinkonsums auf das Neugeborene in dieser Patientinnenpopulation zu untersuchen.

Stichprobe und Methoden

Die Studienpopulation setzte sich aus 139 Frauen mit einem durchschnittlichen Alter von 25,91 Jahren und einer mittleren Dauer der Heroinabhängigkeit von 61,27 Monaten, und ihren Neugeborenen zusammen. Dreiundsechzig Teilnehmerinnen (45%) wurden während ihrer Schwangerschaft mit retardierten Morphinen substituiert, 54 (39%) erhielten Methadon, und 22 (16%) Buprenorphin.
Die Frauen, die zum Studieneintritt einen mittleren Nikotinkonsum von 20,67 Zigaretten pro Tag aufwiesen, wurden in zwei Gruppen unterteilt- jene, die 10 Zigaretten oder weniger pro Tag rauchten (leichte Raucherinnen) und jene, die 20 oder mehr Zigaretten pro Tag zum Zeitpunkt der Geburt rauchten (starke Raucherinnen).

Im Rahmen der multiprofessionellen Schwangerenbetreuung an der Ambulanz, wurden regelmäßig supervidiert Harntests der Patientinnen abgenommen, um Zusatzkonsum von Opioiden, Kokain, Amphetaminen und Benzodiazepinen feststellen zu können. Mittels strukturierter Interviews bei Studieneintritt und postpartal wurde jeweils der Nikotinkonsum erhoben; außerdem wurde der European Addiction Severity Index (EuropASI) durchgeführt.
Neonatale Outcomeparameter (Geburtsgewicht, -länge, -kopfumfang, APGAR Score) wurden aus den PatientInnenakten ausgehoben und NAS-Daten wurden alle 4 Stunden postpartal mittels Finnegan Scale gemessen; ab einem Cut-off-Wert von 11 auf der Finnegan Skala gilt ein NAS als behandlungsbedürftig und die Kinder wurden daraufhin entweder mit Morphinhydrochlorid oder Phenobarbital behandelt.

Auswertung
Die Datenauswertung erfolgte mittels SPSS (Version 15) für Windows; das Signifikanzniveau wurde mit α= 0,05 festgesetzt.

Ergebnisse

Den Nikotinkonsum betreffend, waren 6 Patientinnen Nichtraucherinnen, 8 Patientinnen hörten während der Schwangerschaft zu rauchen auf, 78 Frauen reduzierten ihren Nikotinkonsum, eine Frau begann zu rauchen, 15 steigerten ihren Zigarettenkonsum und bei 46 Patientinnen konnte keine Veränderung beobachtet werden.
Der durchschnittliche tägliche Nikotinkonsum zum Zeitpunkt der Geburt belief sich auf 13,79 Zigaretten. Die beiden Rauchergruppen (leicht/stark) unterschieden sich nicht hinsichtlich des Zusatzkonsums von anderen Substanzen, auch die Erhaltungsmedikation spielte keine Rolle was den Zusatzkonsum betraf.

Die Durchschnittliche Dosis der Erhaltungsmedikation zum Zeitpunkt der Geburt betrug 405,71mg bei retardiertem Morphin, 63,15mg bei Methadon und 8,07mg in der Buprenorphingruppe.

Alle Kinder (71 weiblich, 68 männlich) kamen gesund zur Welt und hatten APGAR-Scores, die vergleichbar mit jenen nicht suchtkranker Mütter waren (9/10/10). Die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer betrug 39,09 Wochen; drei Kinder wurden vor der 34. Schwangerschaftswoche geboren.
Zweiundsiebzig Kinder (52%) hatten kein bzw. kein behandlungsbedürftiges NAS (30% der Kinder aus der retardierten Morphin-Gruppe, 54% aus der Methadongruppe und 95% aus der Buprenorphingruppe, p<0,001). Siebenundsechzig Kinder (48%) mussten behandelt werden; die häufigsten Symptome waren Tremor, hyperaktive Reflexe, Saugschwäche, erhöhter Muskeltonus sowie Schreien. Die wichtigsten neonatalen Outcome-Parameter sind in der folgenden Tabelle zusammen gefasst:

Leichte RaucherinnenStarke Raucherinnen
(n=79; 56.8%) (n=60; 43.2%)
MittelwertSDMittelwertSDp
Geburtsgewicht (g)29824502635549<0.001
Länge (cm)49.082.5547.833.690.017
Kopfumfang (cm)33.671.4333.082.000.054
Finnegan Score kumulativ54.1588.5497.87114.610.030
Finnegan Score/Tag3.164.105.614.760.005
Aufenthaltsdauer im KH (Tage)13.0213.0317.9411.400.041

Diskussion der Ergebnisse

Starkes Rauchen bei Frauen in Opioid-Erhaltungstherapie führt zu deutlich schlechterem neonatalen Outcome als leichtes Rauchen. Die Erhaltungsmedikation hat außerdem einen Einfluss auf das Auftreten und die Intensität des NAS. Zukünftige Behandlungsprogramme sollten Nikotinkonsum als wichtigen Faktor in die Therapie mit einbeziehen, und neben der Erhaltungstherapie eine Intervention zur Nikotinkonsum-Reduktion anbieten.

Referenz

Winklbaur B., Baewert A., Jagsch R., Rohrmeister K., Metz V., Aeschbach-Jachmann C., Thau K. & Fischer G. Association between prenatal tobacco exposure and outcome of neonates born to opioid-maintained mothers. European Addiction Research 2009; 15:150-156.

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